18.10.2023 - Die Reihen im Rosenthal-Theater waren bei der Bürgerversammlung im Rosenthal-Theater mehr denn je besetzt. Gerade das Thema der Neustrukturierung des Klinikum Fichtelgebirge war Hauptaugenmerk. Fern von der eigentlichen Tagesordnung wurde sich umgehend rund eineinhalb Stunden der aktuellen Diskussion gewidmet…
Kurzer Rückblick auf die Situation - darum geht’s:
Im Zusammenhang mit der anstehenden Krankenhausstrukturreform gilt es, die Versorgung an die politischen Rahmenbedingungen auf Bundesebene anzupassen und damit eine moderne medizinische Versorgung im Landkreis Wunsiedel sicherzustellen.
Der beschlossene Weg des Zukunftskonzepts sieht eine Zentralisierung der stationären Versorgung am Klinikum Marktredwitz vor. Hier lag der Schwerpunkt ohnehin schon in Marktredwitz. Im Rahmen des Zukunftskonzepts wird das Klinikum Fichtelgebirge auch seine Fachabteilungen weiter ausbauen, um den steigenden Anforderungen an die medizinische Versorgung gerecht zu werden und den Patienten ein umfassendes Spektrum an Behandlungsoptionen anzubieten.
Der Standort Marktredwitz wird schwerpunktmäßig Operationen und spezialisierte Eingriffe anbieten, die einen anschließenden stationären Aufenthalt erfordern. Dieser Schritt wird die Verfügbarkeit hochqualifizierter medizinischer Expertise vor Ort sicherstellen.
In Selb soll ein Medizincampus mit ambulantem Schwerpunkt entstehen. Ambulante Behandlungen sind ein Wachstumsmarkt, ein Feld, das seit Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewinnt und auch von Patienten geschätzt und gerne in Anspruch genommen wird, erklärt Vorstand Alexander Meyer. Wesentlicher Teil wird ein gestärktes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) Fichtelgebirge, für das die Verlagerung zusätzlicher Fachrichtungen nach Selb geplant ist. Neben einem Ärztehaus wird das Klinikum seine ambulanten Operationen in Selb konzentrieren, was ebenfalls eine fachliche Erweiterung des bisherigen Angebots darstellt.
Das Zukunftskonzept basiert auf einer umfassenden Analyse der aktuellen Situation des Klinikums sowie den Herausforderungen und Chancen, die sich auf gesundheitspolitischer Ebene abzeichnen.
„Unter den aktuellen Voraussetzungen ist es nahezu unmöglich kleine Kliniken hinsichtlich der medizinischen Qualität auf höchstem Niveau zu betreiben und dabei betriebswirtschaftlich erfolgreich zu führen. Weitere Staatshilfen wird es keine geben und zeitgleich werden die Qualitätsstandards weiter angehoben werden, das machte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zuletzt mehrfach deutlich. Daher müssen Kliniken den Transformationsprozess hin zu einer moderneren, ambulanteren Medizin gehen. Angesichts der gesundheitspolitischen Stoßrichtung, die auf eine nachhaltige Sicherung der Vergütung für ambulante Leistungen abzielt, gewinnen ambulante Behandlungen zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig führt diese Entwicklung zu sinkenden stationären Fallzahlen und damit auch zu einer deutlich niedrigeren Auslastung der stationären Betten“, erklärt Vorstand Alexander Meyer die herausfordernde Lage.
Um am Standort Selb zeitnah den ambulanten Medizincampus zu entwickeln, soll nun das ambulante Angebot sukzessive erhöht und erweitert werden. „Am Ende streben wir an, eine hochwertige und maßgeschneiderte medizinische Versorgung am Standort Selb zu gewährleisten und eine Lösung zu entwickeln, die langfristig die Gesundheitsversorgung sicherstellt“, betont der Oberbürgermeister der Stadt Selb Ulrich Pötzsch.
Das stationäre Angebot wird gemäß dem Beschluss Schritt für Schritt konzentriert. Es liegt auf der Hand, dass die komplette Umgestaltung des stationären Angebots des Krankenhaus Selb nicht von einem auf den anderen Tag möglich ist, sondern planvoll in Teilschritten erfolgen muss.
(Infos gemäß Bericht vom 28.9.2023)
Auf 14,7 Millionen Euro wird das Defizit des Klinikum Fichtelgebirge allein für dieses Jahr prognostiziert. Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch stellt klar: „Ein „Weiter so“ würde in kürzester Zeit die Schließung des gesamten Klinikum Fichtelgebirge bedeuten!“ Das Defizit in dieser Größenordnung könne sich der Landkreis Wunsiedel nicht leisten. Und dahinter auch nicht die Kommunen. Die allein jetzige Erhöhung der Kreisumlage um 3,5 Prozentpunkte bedeutet für Selb rund 700.000 Euro mehr pro Jahr. „Das ist nur der Anfang der Messlatte“, so der Rathauschef. Und bei dieser Erhöhung sei das Klinikum laut Aussage von Landrat Peter Berek noch gar nicht berücksichtigt, hierbei handelt es sich allein um den Sozialhaushalt des Landkreises. „Das würde auf Dauer den Ruin der Kommunen bedeuten“, machte Pötzsch weiter aufmerksam. In der Gesamtmengenlage habe man nur durch Veränderungen eine Chance, das Klinikum mit seinen beiden Häusern in der nun angedachten Ausführung überhaupt, und das dazu in kommunaler Trägerschaft, zu erhalten, womit man seitens der Kommunalpolitik noch Einfluss nehmen könne. Eine Privatisierung sei keine Alternative. Alle Parteien würden hier im Kreistag alle an einen Strang ziehen und nicht aus reiner Willkür entscheiden. Pötzsch betonte, dass im Verwaltungsrat von Selber Seite aus auch die Stadt- und Kreisräte Walter Wejmelka (SPD), Wolfgang Kreil (CSU) und Susann Fischer (GRÜNE) entsprechend mit abgestimmt hätten.
Klar habe man vollstes Verständnis für den Unmut aus der Bevölkerung, die sich zumindest weiter eine Notaufnahme am Standort Selb wünscht. Selbiges sei auch überprüft worden, sich aufgrund des notwendigen, großen Apparats im Hintergrund allerdings als nicht finanzierbar dargestellt, zumal die Notaufnahme in Selb durchschnittlich lediglich sieben Mal pro Tag aufgesucht werde. Zudem könne man die Vorgaben bei der Krankenhaus-Strukturreform des Bundes wohl hier auch gar nicht erfüllen, ärgert sich Pötzsch über eine „fürchterliche Keule aus Berlin“, die wohl nur die Zentralisierung großer Häuser vorsieht, man dann Wege wie nach Hof oder Weiden auf sich nehmen müsste. „Das ist aber nicht unsere Meinung, daher wollen wir aus dem System ausbrechen“, sieht er den eingeschlagenen Weg mit dem stationären Betrieb in Marktredwitz und dem Medizincampus in Selb als Chance an. Gerade der ambulante Bereich werde immer mehr gefordert. Dafür werden hier bis 70 Prozent von Marktredwitz nach Selb verlegt. Auch ein sogenannter D-Arzt wird am Standort erhalten bleiben. Das MVZ soll erweitert werden. Und weiter könne man werktags tagsüber zunächst das Selber Krankenhaus zu ersten Untersuchungen aufsuchen, wie Klinikum-Geschäftsführer Dr. Alexander Meyer versicherte.
Aus dem Publikum auf die vergangene Zeit mit entsprechenden eher pro Marktredwitz getroffenen Entscheidungen angesprochen, erklärte der Oberbürgermeister, dass die Entscheidungen wie die Küche oder das Thema Entbindungsstation mit Sicherheit falsche politische Entscheidungen waren. Die dagegen vor zwei, drei Jahren beschlossenen Neuausrichtungen waren aber richtig, und zielführend. Dann sei aber von staatlicher Seite von der Seite reingegrätscht worden, „das ist schwer begreiflich!“ Das Problem sei heute, „dass uns Entscheidungen vorweggenommen werden und dass uns Vorgaben gemacht werden, auf die wir keinen Einfluss haben!“ Pötzsch weiter mit Blick auf die bei der Versammlung zahlreich anwesenden Kommunalpolitiker: „In diesem Raum stehen alle zu 100 Prozent dahinter, das Haus Selb zu erhalten. Aber jeder, der das machen möchte, muss heute reagieren!“ Zugleich betonte er: „Das ist kein sozialer Vorgang, wenn es um die Regulierung im Gesundheitssystem insgesamt geht. Denn das bedeutet automatisch, dass im Landkreis Wunsiedel überhaupt kein Krankenhaus vorgehalten wird. Das ist das eigentlich Schlimme!“ Folglich das große Ziel in der Region: Der Erhalt beider Häuser in kommunaler Hand sowie die Weiterbeschäftigung aller Mitarbeiter. „Keiner nimmt das leichtfertig. Für jeden einzelnen ist die Situation natürlich nicht einfach. Aber jeder, der Details und die Zahlen kennt, der weiß: Wenn wir jetzt nicht handeln, dann ist es zu spät!“
Aus der Bürgerschaft wollte Jörg Kusnik wissen, in welchem finanziellen Rahmen sich die Einsparungen bewegen werden. Pötzsch antwortete, dass der Betrieb des Krankenhaues einst mit einem Defizit von 2,5 bis 3 Mio. Euro ausgeglichen wurde. Diese Summe als Ziel könnte man noch stemmen und müsse es auch wert sein. In der teils hitzig geführten Diskussion monierte der Redner allerdings, dass bei den Zahlen zu viel von Theorie gesprochen werden, genaue Zahlen jedoch nicht geliefert werden.
Weiter meinte der Wortredner unter anderem, dass man Menschenleben durch längere Fahrwege nach Marktredwitz bei Noteinsätzen in Kauf nehmen würde. Aus dem Publikum stellte Dr. Tobias Uhing, Notarzt im Rettungsbereich Hochfranken, wie schon zuvor Landrat Peter Berek klar, dass bei akuten Fällen wie bei Herzinfarkt oder Schlaganfall Selb bereits jetzt gar nicht angefahren werde, da das Haus die entsprechende Ausstattung für solche Notfälle gar nicht habe. Grundsätzlich werde das nächstgelegene, für solche Fälle ausgerüstete Krankenhaus angefahren. Auch die Einsätze der Rettungsdienstwagen werden in der Region regelmäßig analysiert und stets entsprechend angepasst, entgegnete er zugleich der Aussage, dass durch längere Fahrtzeiten Rettungsfahrzeuge weniger zur Verfügung stehen könnten.