14.11.2025 - Der Weltladen in der Ludwigstraße 55 hat Geburtstag: In diesem Jahr feiert das entwicklungspolitische Projekt sein 10-jähriges Bestehen, Von der ersten Idee über die Testphase bis hin zum festen Ladenstandort hat sich in einem Jahrzehnt viel entwickelt. Beim gemeinsamen Anstoßen zum Jubiläum würdigten Ideengeber Pfarrer Johannes Herold, Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch und der Vermieter Wilfried Erhard das Engagement der Ehrenamtlichen und die Bedeutung des Ladenprojekts für Selb.
Die Ursprünge des Weltladens gehen auf das Jahr 2014 zurück, als Pfarrer Johannes Herold die Initiative vorantrieb und die Idee eines Weltladens in Selb erstmals öffentlich machte. In seinen Worten: „Als ich im Jahr 2014 im Fair-Handelszentrum in Langquaid erzählt habe, dass wir einen Weltladen in Selb aufmachen wollen, da waren die skeptisch, ob in so einer kleinen Stadt so ein Weltladen funktionieren kann. Zehn Jahre später, glaube ich, können wir mit Fug und Recht sagen, es geht, wir haben es geschafft.“
Von der Verkaufs-Ecke zur eigenen Ladenfläche
Bewährt haben sich behutsame Schritte: Zunächst entstand 2015 eine kleine Verkaufs-Ecke im Bioladen Kornblume. Diese Pilotphase diente dazu, Nachfrage, Sortiment und Abläufe zu testen. „Die Kirchengemeinde ist ins Risiko gegangen und hat gesagt, wir geben das Geld aus, um einen Weltladen einzurichten, um Regale zu kaufen, um eine Warenausstattung anzuschaffen“, erinnerte Herold bei der Jubiläumsfeier – ein Dank, den er der Christuskirche ausdrücklich aussprach.
Nach erfolgreicher Probezeit zog der Laden 2017 in eigene Räume in der Ludwigstraße 55 um. Dort etablierte sich der Weltladen als feste Adresse für fair gehandelte Produkte, Informationsort und Treffpunkt für entwicklungspolitisches Engagement in der Selber Innenstadt. Die Räume bieten nicht nur Warenverkauf, sondern auch Beratung, Infomaterialien und Veranstaltungen zur Sensibilisierung für faire Handelsbedingungen.
Trägerschaft, Ehrenamt und Sortiment
Anfangs unter dem Dach der Kirchengemeinde geführt, hat sich die Trägerschaft weiterentwickelt: Um den Laden dauerhaft zu sichern, wurde später der Eine-Welt-Verein Selb e. V. gegründet. Seit dem 1. Januar 2023 ist er offizieller Träger des Weltladens. Der Verein arbeitet parteipolitisch und konfessionell unabhängig und wirbt um aktive und fördernde Mitglieder, um die Zukunft des Angebots abzusichern. Ansprechpartner hierfür ist Pfarrer Johannes Herold.
Der Weltladen wird maßgeblich durch ehrenamtliches Engagement getragen. Herold betonte die Bedeutung der Freiwilligen: „Wir haben zwölf Helfer im Team, die die Ladendienste hier schmeißen. Ehrenamtlich, denn der Faire Handel ist noch nicht so aufgestellt, dass wir damit Personal bezahlen könnten.“ Ohne dieses Engagement wäre der Betrieb des Ladens in einer kleinen Stadt wie Selb kaum denkbar.
Das Sortiment des Weltladens umfasst typische Produkte des fairen Handels: Kaffee und Schokolade zählen zu den besonders gefragten Waren, daneben gibt es Tee, Gewürze, Textilien, Kunsthandwerk und Geschenkartikel aus Kooperativen des globalen Südens.
Rolle für Stadtgesellschaft und Kooperation mit Rathaus
Der Weltladen ist eng in das lokale Netzwerk eingebunden: Er kooperiert mit Kirchengemeinden, der Stadtverwaltung und regionalen Eine-Welt-Initiativen. Die Stadt Selb nutzt den Weltladen beispielsweise dafür, Präsentkörbe für offizielle Anlässe zusammenstellen zu lassen und unterstützt damit zugleich das faire Sortiment. Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch würdigte bei der Jubiläumsfeier die Bedeutung des Ladens: „Zehn Jahre Weltladen in Selb ist ein wunderbares Signal nach außen. Es ist aber vor allem zehn Jahre Arbeit derer, die das Ganze am Ende des Tages ausmachen.“ Pötzsch überreichte als sichtbares Zeichen der Unterstützung zudem 500 Euro für den Weltladen.
Die Stadt Selb setzt sich seit Jahren für Fair-Trade-Aktivitäten ein, trägt seit dem Jahr 2017 gar den offiziellen Titel „Fair-Trade-Town“. Die Arbeit des Weltladens ergänzt und stärkt dieses Engagement. Gemeinsam mit lokalen Akteuren wird so das Bewusstsein für Herkunft, Produktionsbedingungen und globale Verantwortung in der Bevölkerung gefördert.
Dank an Vermieter und historische Einbettung
Auch der Vermieter der Ladenräume, Wilfried Erhard, kam zu Wort. Er schilderte die Geschichte des Hauses in der Ludwigstraße 55, das seit Generationen in Familienbesitz ist. Einst war hier eine Bäckerei, später eine Nähmaschinengeschäft, dann lange Zeit einen Konfektionsladen und danach ein Schlüsseldienst und Eisenbahnhandel beheimatet. Nach Jahren des Leerstandes wurde in den Laden investiert und schließlich seitdem an den Verein vermietet. Auch die Kontaktstelle der Seniorenberatung des Evangelischen Dekanats Selb hat hier ihren Anlaufpunkt.
Erhard betonte seine Freude, dass die Räumlichkeiten seit 2017 durch den Weltladen mit sinnvollem Leben erfüllt werden. In seinen Worten machte er deutlich, dass dieser Laden nicht nur für den lokalen Handel Bedeutung hat, sondern weiter hinaus wirkt: „Durch den Verkauf von Produkten aus fairem Handel können wir wirtschaftlich benachteiligte Produzenten unterstützen, fördern und im Dialog mit politischen Entscheidungsträgern auf eine gerechtere Gestaltung von Handelsstrukturen hinwirken.“
Pfarrer Herold fügte an, worum es dem Weltladen im Kern geht: „Es geht darum, Gerechtigkeit zu schaffen. Es geht nicht darum, Almosen zu verteilen. ... Dass die Menschen Schulen bauen können. Dass die Menschen Straßen bauen können. Dass die Menschen ein würdiges Leben führen können. Das ist die wirtschaftliche Ungerechtigkeit, gegen die wir kämpfen.“
Gesellschaftliche Relevanz und Perspektive
Die Erfolgsgeschichte des Weltladens Selb ist ein Beispiel dafür, wie lokale Initiativen wachsen können, wenn kirchliche Impulse, ehrenamtliche Tatkraft und kommunale Unterstützung zusammenwirken. Aus einer kleinen Verkaufs-Ecke in einem Bioladen entstand innerhalb weniger Jahre ein eigenständiger Laden mit Vereinsstruktur, der heute als Bildungsort, als Plattform für fairen Konsum und als sichtbares Zeichen für globale Verantwortung in Selb wahrgenommen wird.
Die Zukunftsaussichten sind eng mit dem Engagement Ehrenamtlicher und der solidarischen Unterstützung der Stadt und der Bürgerschaft verbunden. Die Übergabe der Spende durch Bürgermeister Pötzsch bei der Jubiläumsfeier ist ein Zeichen der Wertschätzung – doch langfristig bleibt die Einwerbung von Fördermitgliedern und die Gewinnung weiterer Ehrenamtlicher entscheidend.
Besuch und Kontakt
Der Weltladen Selb befindet sich in der Ludwigstraße 55, 95100 Selb. Die Öffnungszeiten lauten wie folgt: Montag und Dienstag von 10 bis 13 Uhr, Mittwoch geschlossen, Donnerstag und Freitag von 10 bis 13 und 15 bis 18 Uhr. sowie Samstag von 10 bis 13 Uhr.
selb-live.de - Michael Sporer