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waermeplanung selb 1125 grafik27.11.2025 – In der jüngsten Sitzung des Stadtrats wurde der Endbericht zur kommunalen Wärmeplanung vorgestellt. Damit schließt die Stadt einen monatelangen Arbeitsprozess ab, der ein zentrales Ziel verfolgt: einen klaren Fahrplan für eine klimafreundliche und langfristig bezahlbare Wärmeversorgung zu entwickeln. Der Wärmeplan bietet erstmals einen umfassenden Überblick über den aktuellen Gebäudebestand, die heutige Energieversorgung, mögliche Potenziale erneuerbarer Energien sowie Zukunftsszenarien für die Wärmeversorgung der kommenden Jahrzehnte.

Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch betonte in seiner Einführung die Bedeutung dieser Planung. Sie sei ein wesentliches Element zur Umsetzung des Wärmeplanungsgesetzes, das von Kommunen verlangt, eine strategische Grundlage für die künftige Wärmeversorgung zu schaffen. Wichtig sei dabei jedoch, dass der Wärmeplan lediglich eine Orientierungshilfe darstelle. Er entfalte keine rechtliche Außenwirkung und bedeute insbesondere keine Anschluss- oder Investitionspflicht für die Bürgerinnen und Bürger.

Die Wärmeplanung wurde in drei intensiven Workshops erarbeitet. Beteiligt waren Fachleute der Firma Fichtner, Vertreter der Energieversorgung Selb-Marktredwitz sowie weitere Akteure aus dem kommunalen Umfeld. Der gesamte Prozess umfasste eine detaillierte Bestandsanalyse, die Ermittlung energetischer Potenziale und die Ausarbeitung zukunftsorientierter Szenarien für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung. Am Ende entstand ein Maßnahmenkatalog, der nun im Rahmen einer öffentlichen Beteiligung diskutiert wird.

 

Dr. Daniel Zech von der Firma Fichtner, der – online zugeschaltet - dem Stadtrat die Ergebnisse präsentierte, hob die Dringlichkeit des Themas hervor. Während der Stromsektor in Deutschland bereits deutliche Fortschritte bei der Nutzung erneuerbarer Energien erzielt habe, liege der Anteil erneuerbarer Wärme im Wärmesektor weiterhin bei nur rund 20 Prozent. Genau hier setzt die kommunale Wärmeplanung an. Sie zeigt auf, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien und die Reduzierung des Wärmebedarfs durch Gebäudesanierung gelingen kann.

Im Rahmen der Bestandsanalyse wurde untersucht, wie viele Gebäude in Selb beheizt werden, wie hoch der Gesamtwärmebedarf ist und mit welchen Energieträgern derzeit geheizt wird. Aktuell gibt es rund 5.050 Gebäude in Selb mit einem Gesamtwärmebedarf von etwa 274 GWh/Jahr. Der Energieverbrauch wird überwiegend von Erdgas (ca. 69 % des Wärmebedarfs) und Heizöl bestimmt. Gleichzeitig wurden die Treibhausgasemissionen des Wärmesektors analysiert, die ebenfalls hauptsächlich durch diese fossilen Energieträger verursacht werden. Eine stadtweite Untersuchung der sogenannten Wärmeliniendichte zeigte außerdem, wo sich aufgrund des Bedarfs der Ausbau von Wärmenetzen künftig besonders lohnen könnte. Gebiete mit einer Liniendichte von über 10.000 kWh/m wurden als besonders geeignet identifiziert.

Die Potenzialanalyse machte deutlich, welche erneuerbaren Energien in Selb in Zukunft eine Rolle spielen können. Dazu zählen Geothermie, Solarthermie, Abwärme aus Gewerbe und Industrie, Biomasse sowie der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen. Zudem wurde geprüft, wo die vorhandene Gasinfrastruktur langfristig erhalten und mit klimaneutralen grünen Gasen betrieben werden könnte. Auch Biomasse und regional erzeugtes Biomethan könnten für bestimmte Stadtgebiete eine wichtige Rolle spielen.

Auf Basis dieser Erkenntnisse entwickelte das Planungsteam Zielszenarien bis 2045. Diese zeigen auf, wie sich die Wärmeversorgung der Stadt verändern kann. Durch Gebäudesanierungen lässt sich der Wärmebedarf deutlich reduzieren. Je nach Szenario kann der Wärmebedarf bis 2045 um 8 % bis 18 % steigen oder gesenkt werden. Gleichzeitig müssen neue erneuerbare Wärmetechnologien stärker ausgebaut werden. Wärmenetze könnten in Gebieten mit hoher Liniendichte erweitert oder neu aufgebaut werden. Besonders hohe Potenziale sieht die Studie im Bereich Vorwerk, wo eine Machbarkeitsstudie empfohlen wird. In anderen Bereichen hingegen wird die Versorgung durch dezentrale Wärmepumpen oder der Erhalt der Gasinfrastruktur mit künftig klimaneutralen Gasen als sinnvoll angesehen.

Dr. Zech stellte außerdem Maßnahmen vor, die aus Sicht der Fachleute in den kommenden Jahren angegangen werden sollten. Dazu gehören der Aufbau organisatorischer Strukturen in der Verwaltung, die Erweiterung bestehender Wärmenetze, die Nutzung von Abwärmepotenzialen und die Bereitstellung mobiler Heizzentralen als Übergangslösung. Auch die Information der Bevölkerung über Sanierungsmaßnahmen, mögliche Wärmetechnologien und Förderprogramme wird als wesentlicher Baustein betrachtet.

 

Oberbürgermeister Pötzsch dankte abschließend allen Beteiligten und verwies auf die breite Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Energieversorgung, Wohnungsbauunternehmen und Politik. Er hob nochmals hervor, dass die Wärmeplanung keine parzellenscharfen Aussagen treffen könne und auch nicht auf einzelne Haushalte heruntergebrochen werde. Die Umsetzung der Wärmewende bleibe eine private Entscheidung, bei der jedoch kompetente Ansprechpartner wie die Energieversorgung Selb zur Verfügung stehen. Ein gesetzlicher Anschlusszwang sei nicht vorgesehen.

Der Wärmeplan wird nun für die Öffentlichkeit über die Internetseite der Stadt Selb sowie im Bauamt zur Einsicht bereitstehen. Mit dem Abschluss dieser Planungsphase beginnt der nächste Schritt der Wärmewende. Die kommenden Jahre werden geprägt sein von weiteren Studien, konkreten Projekten und intensiver Zusammenarbeit zwischen Stadt, Energieversorgern, Unternehmen und der Bürgerschaft.