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logo klinikum fichtelgebirge selb marktredwitz23.5.2020 - Die vergangenen Wochen stellten hohe Anforderungen an Klinik-Mitarbeiter, Patienten und Angehörige. Im Gespräch erklären der Ärztliche Direktor, Dr. Philipp Koehl und die Pflegedirektorin Christine Waterloo, den neuen Alltag am Klinikum.

Mit einer Inzidenz von über 1.500 Infizierten pro 100.000 Einwohnern war der Landkreis Tirschenreuth eine Corona-Hotspot-Region in Deutschland, der Landkreis Wunsiedel rangierte gleich dahinter. Dies führte auch im Klinikum Fichtelgebirge zu einigen sehr angespannten Tagen Ende März.

„Glücklicherweise konnte durch die zwei Standorte des Klinikum Fichtelgebirge zu Beginn der Pandemie ein eigenes „Covid-19-Haus“ ausgewiesen werden. Dadurch erhielten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Selb schnell eine große Expertise bei der Behandlung von Covid-Erkrankten, zum anderen hatten und haben wir in Marktredwitz die gesamte Breite eines Schwerpunktversorgers zur Versorgung der Notfall-Patienten zur Verfügung“ beschreibt der Ärztliche Direktor, Dr. Philipp Koehl, die herausfordernde Lage im März. Er ist Pandemiebeauftragter und gleichzeitig auch Mitglied in der überregionalen Covid-19-Koordinierungsgruppe. „Wir haben das Klinikum Selb kurzzeitig für die Aufnahme von Patienten komplett abmelden müssen. Anfangs stellte sich die Beschaffung von Basisausstattung für Schwestern und Ärzte als sehr schwierig dar, Schutzkittel waren ebenfalls oft knapp.“

Am Höhepunkt des Infektionsgeschehens im Landkreis kamen innerhalb kürzester Zeit mehr beatmungspflichtige Patienten, als reguläre Beatmungsplätze zur Verfügung standen. An Spitzentagen wurden 60 Covid-Patienten gleichzeitig stationär behandelt. „Wir sind allerdings zu keinem Zeitpunkt an die Kapazitätsgrenze gekommen, es waren immer genug Betten und – wenn auch sehr knapp - medizinisches Personal vorhanden. Die zusätzlich geschaffenen Beatmungsplätze kamen auch zum Einsatz.“

Beeindruckt sind die Pflegedirektoren, Christine Waterloo für Marktredwitz und Karlheinz Dachs für Selb, auch von der Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung und von den ortsansässigen Unternehmen:

„Wir bedanken uns nochmals ausdrücklich für die vielen Hilfsangebote von freiwilligen Helfern und die zahlreichen Maskenspenden die wir erhalten haben. Auch das „Nervenfutter“ in Form von Muffins und Schokolade wussten unsere Mitarbeiter sehr zu schätzen. Die Solidarität ist – noch immer – beeindruckend.“ ´

Auch die Gynäkologie machte Schlagzeilen: „Wir mussten leider für einige Tage Väter von der Geburt ausschließen, um das verbliebene Personal nicht weiterer zusätzlicher Ansteckungsgefahr auszusetzen. Mehrere unserer Gynäkologinnen haben sich damals in Umkehrisolierung begeben, ihr „Home“ ins „Office“ verlagert und sind allesamt in unser Wohnheim eingezogen. Die Klinik für Urologie hat teilweise die Versorgung der stationären Patientinnen übernommen. All dies nur der Aufrechterhaltung der Geburtshilfe wegen“ so Koehl.

Zeitweise waren am Klinikum über 80 Pflegerinnen und Pfleger krank oder in Quarantäne: „Es sind Beispiele die zeigen, dass wir in einer Heftigkeit von der Corona Pandemie getroffen wurden, wie wir es uns nicht vorstellen konnten. Es sind aber vor allem Beispiele die einen Stolz machen. Stolz, dass es Mitarbeiter gibt, denen die Versorgung der Patienten in jeder Situation ausgesprochen wichtig ist. Stolz, dass wir als kleiner Schwerpunktversorger mit unseren beiden Standorten zeigen können, wie man einer Pandemie entgegentreten kann“ beschreibt Christine Waterloo die Lage.

„Eine wichtige Erkenntnis ist doch, dass die Kliniken in unserer Region gezeigt haben, dass sie in der Lage sind, in sehr kurzer Zeit die Kapazitäten zu steigern. Betten und Personal waren auch zu keinem Zeitpunkt unser Problem. Das oft kritisierte Abrechnungssystem (G-DRG), dass aus Krankenhäusern Wirtschaftsunternehmen macht, die dann am Ende auch so agieren müssen und ihr Material "Just-in-Time" beziehen, führt eben dazu, dass Krankenhäuser nur noch eingeschränkt Lagerhaltung betreiben. In einer Pandemie ist das, wie wir gesehen haben, äußerst kontraproduktiv“, so Koehl.

Im Gegensatz zum Beginn der Pandemie kann das Klinikum Fichtelgebirge  nun aber auf eine etwas entspannte Liefersituation , neu etablierte Versorgungswege, auf zunehmendes Wissen um das Virus und auf gut funktionierende landkreisübergreifende Kooperationen zurückgreifen. „Während der ersten Wellen hat die Kooperation und Kommunikation zwischen den Kliniken in Hochfranken exzellent funktioniert“, stellt Koehl fest. Die Mitarbeiter haben nun Erfahrung bei der Behandlung der Covid-Patienten und profitieren von eingespielten Abläufen. Der Weg mit einem eigenen Covid-Schwerpunkthaus hat sich dabei als goldrichtig herausgestellt. Nicht nur, dass man an einem Standort die gesammelten Fälle bestmöglich versorgen kann und sich dadurch in kurzer Zeit eine Expertise erarbeitet hat, es bietet auch den Patienten am Covid-freien Standort Marktredwitz das höchstmögliche Maß an Sicherheit vor einer Ansteckung mit dem Virus während des Aufenthaltes.

„Für uns alle ist es die erste Pandemie. Die dafür vorgesehenen Pandemiepläne waren bis Anfang März 2020 rein theoretische. Wir haben sie nun in die Tat umgesetzt und sie alsbald optimiert und angepasst. Jetzt können wir auch hier auf eine etablierte Struktur zurückgreifen.“ Zuversichtlich stimmt den Ärztlichen Direktor auch die hohe Akzeptanz der Schutzmaßnahmen in der Bevölkerung: “Die Gesellschaft hat gezeigt, dass auf sie Verlass ist und die Maßnahmen des Lockdown umsetzt und einhält. Damit konnte die Ausbreitungsgeschwindigkeit verlangsamt und die Kurve abgeflacht werden.“

Die Hauptarbeit in den letzten Tagen bestand nun in der Umsetzung der neuen Allgemeinverfügung, die unter anderem besagt, dass Kliniken 30% der Intensivbetten und 25% der Betten auf Normalstationen für Covid-Erkrankte vorhalten müssen. Zusätzlich wird nun jeder Patient, der stationär aufgenommen wird, auf das neue Coronavirus getestet und bis zum Vorliegen des Testergebnisses in einem Einzelzimmer isoliert. „Da bleibt am Ende kaum noch ein freies Bett für elektive Patienten, also planbare Eingriffe, übrig. Das ist besonders deshalb schlimm, da sehr viele Menschen inzwischen zuhause auf eine Behandlung warten.“ Dies bringt Ärzte in eine moralische Zwickmühle: „Leere Betten zu sehen, die mit reellen wartenden Patienten zu belegen wären, ist nicht einfach.“

Diese Regelung gilt noch bis mindestens 31. Juli diesen Jahres.

Hinzu kommt die Sorge der Patienten, die aus Angst vor einer Infektion nicht in das Klinikum kommen. Dr. Philipp Koehl: „Ich hoffe, dass wir den Menschen in der Region bald wieder einen, wenngleich neuen und eingeschränkten Normalbetrieb anbieten können und wir den Patienten mit unserem Konzept eines Covid-freien Hauses in Marktredwitz die Sorge um eine Infektion nehmen können.“

selb-live.de – Presseinfo Klinikum Fichtelgebirge