22.3.2020 – „Plastikmüll – ein globales Problem: Kann unsere Gesellschaft auf Plastik verzichten?" Zu diesem Thema begrüßte der Verein SelbKultur kürzlich Dr.-Ing. Felipe Wolff-Fabris, den Leiter des Europäischen Dispergierzentrums Selb (EZD). Dieser ging zunächst auf die Herstellung und Anwendungsbereiche verschiedener Kunststoffe ein.
Unverzichtbar seien Kunststoffe aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften z.B. in technischen Bauteilen, in der Medizintechnik und beim Produktschutz als Verpackungsmaterial. Alternative Werkstoffe kämen häufig nicht in Frage wegen des höheren Gewichts oder gesteigertem Energieverbrauch bei der Herstellung und damit verbundenen Treibhausemissionen. Auch das EZD in Selb forsche aktuell an neuen Materialeigenschaften zur Verhinderung der Emission von Mikroplastik.
Problematisch sei die exorbitante Steigerung der Kunststoffproduktion weltweit seit 1950. Waren es damals noch 2 Mio. Tonnen pro Jahr, beliefe sich die aktuelle Jahresproduktion auf 380 Mio. Tonnen – Tendenz weiter steigend. Ca. 79% der produzierten Kunststoffe würden nach ihrem Gebrauch auf Deponien oder in der Umwelt landen. Dort setze ein sehr langsamer Zerfallsprozess ein. So wäre z.B. eine Plastikflasche erst nach ca. 450 Jahren abgebaut.
Der jährliche Verbrauch von Kunststoffen in der BRD liege derzeit bei 14,5 Mio. Tonnen, wovon weniger als 10% des Plastikmülls tatsächlich recycelt, also einer Weiterverwendung zugeführt würden. Bis zur Verschärfung der Exportregeln 2019 wurde ein Großteil des hier produzierten Plastikmülls exportiert nach China, Asien oder Afrika - alles Länder mit schlechtem Abfallmanagement.
Neben thermischer Verwertung lande ein Großteil des Plastikmülls im Meer und verursache dort schwere Schäden. 70% des dort ankommenden Mülls würde zum Meeresboden sinken, aber auch in der Nahrungskette sei Mikroplastik inzwischen nachzuweisen. Nach dem Vorkommen in Fischen und Schalentieren würden Kunststoffe auch im menschlichen Körper nachgewiesen und könnten dort gesundheitliche Störungen auslösen.
Erstaunt zeigten sich die Zuhörer bei der Feststellung, dass der Reifenabrieb von 1,2 kg pro Person und Jahr eine Hauptquelle für Mikroplastik-Verseuchung sei.
Ein grundlegendes Umdenken weg von der Linearwirtschaft und hin zu nachhaltigen Kreisläufen müsse einsetzen, erläuterte Wolff-Fabris, um die weitere Verschmutzung und Gefährdung der Natur einzudämmen. Bereits bei der Herstellung müssten Recyclingkosten berücksichtigt werden, insgesamt sei der Verbrauch von Plastikmaterialien einzuschränken und langlebigen Produkten der Vorzug zu geben.
Alternativen gäbe es bereits in Form von biologisch abbaubaren Kunststoffen, deren Lebenskreislauf nur etwa 10 Jahre betrüge oder biobasierten Kunststoffen aus erneuerbaren Ressourcen. Anwendung fänden diese Stoffe z.B. bereits in der Medizin als Nahtmaterial oder im Landschafts- und Gartenbau (Folien usw.)
Abschließend ging Dr. Wolff-Fabris auf den verantwortungsvollen Umgang mit wertvollen Rohstoffen ein. Unter anderem könnten Verbraucher Einfluss nehmen durch Einkauf regionaler, möglichst unverpackter Güter, kurze Transportwege und Verwendung langlebiger Produkte. Recyclingprozesse müssten verbessert und die Recyclingquote insgesamt deutlich gesteigert werden.
Vereinsvorsitzende Anneliese Schade dankte Dr.-Ing. Wolff-Fabris für den interessanten Vortrag. Mit einer kurzen Diskussion und Fragen der Zuhörer an den Referenten endete ein kurzweiliger Abend bei SelbKultur.
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